Einziehung von Geschäftsanteilen
Seit Inkrafttreten des MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen) im Oktober 2008 ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob ein Beschluss über die Einziehung von Geschäftsanteilen an einer GmbH nichtig und damit anfechtbar ist, wenn von der Gesellschafterversammlung nicht zugleich auch darüber entschieden wird, ob wegen der eingetretenen Divergenz zwischen der Summe der Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile und dem in der Satzung beschriebenen Stammkapital eine korrigierende Kapitalmaßnahme durchgeführt wird. Hintergrund dieses Problems ist die Erkenntnis, dass der eingezogene Geschäftsanteil und die damit verbundenen Mitgliedschafsrechte an der GmbH untergehen, also vernichtet werden, und somit das in der Satzung ausgewiesene Stammkapital nicht mehr mit der Summe der tatsächlich vorhandenen Nennbeträge der Geschäftsanteile übereinstimmt (= Divergenz). Diese Divergenz kann entweder durch Herabsetzung des satzungsmäßigen Stammkapitals (= um den Nennbetrag des eingezogenen Anteils), durch nominelle Aufstockung der Nennbeträge aller Geschäftsanteile auf die Höhe des in der Satzung ausgewiesen Stammkapitals oder durch Bildung eines neuen Geschäftsanteils ausgeglichen werden. In der Praxis wurde deshalb bislang empfohlen, bis zu einer höchstrichterlichen Klarstellung in Einziehungsfällen rein vorsorglich immer auch eine entsprechende Kapitalmaßnahme zu beschließen, was in Einzelfällen durchaus Probleme bereiten konnte.
Bisheriger Meinungsstand
Einerseits wurde hierzu unter Berufung auf die Gesetzesmaterialen vertreten, die Einziehung von Geschäftsanteilen ohne entsprechende Kapitalmaßnahme führe unweigerlich zur Nichtigkeit und damit zur Anfechtbarkeit eines entsprechenden Einziehungsbeschlusses. Denn dort habe der Gesetzgeber ausdrücklich formuliert: “Ein solches Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile und des Nennbetrages des Stammkapitals ist künftig im Gegensatz zum geltenden Recht [Anm. des Verf.: Gemeint ist hier die Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG] unzulässig.” Die Gegenmeinung hielt einen Einziehungsbeschluss ohne Kapitalmaßnahme unter Anknüpfung an die alte Rechtslage generell für wirksam, da es sich bei dem Auseinanderfallen von Stammkapital und der Summe aller Nennbeträge der Geschäftsanteile nur um einen bloßen “Schönheitsfehler” handele, der im Ergebnis folgenlos bleibe. Vermittelnde Mindermeinungen in der Literatur hielten einen solchen Beschluss entweder vorläufig für wirksam, erst nach Ablauf einer Jahresfrist führe eine nicht nachgeholte Kapitalmaßnahme zur rückwirkenden Nichtigkeit des Beschlusses, oder die Gesellschaft erwerbe den eingezogenen Geschäftsanteil automatisch oder die Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile würden sich automatisch entsprechend erhöhen.
Urteil des BGH v. 2. 12. 2014 – II ZR 322/13
Der BGH hat nun in einem ausführlich kommentierten Versäumnisurteil vom 2. 12. 2014 (Az.: II ZR 322/13) in Übereinstimmung mit der Vorinstanz (OLG Düsseldorf) klargestellt, dass ein Einziehungsbeschluss auch ohne gleichzeitige Bereinigung der Divergenz durch eine Kapitalmaßnahme wirksam sei. Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommene Intention des Gesetzgebers, nämlich dass ein Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile und des Stammkapitals zukünftig unzulässig sein soll, letztlich im Gesetzeswortlaut keinen richtungsweisenden Niederschlag gefunden habe, was aber anlässlich der Gesetzesreform bei einem Vergleich mit der gesetzlich geregelten Kapitalerhöhung (§ 55 Abs. 4 GmbHG) und der vereinfachten Kapitalherabsetzung (§ 58a Abs. 3 GmbHG) nahe gelegen hätte. Weder Gläubigerschutzgesichtspunkte – die Transparenz der Beteiligungsverhältnisse ist durch die Gesellschafterliste gewährleistet – noch der Minderheitenschutz – die Gewinnrechte hängen in aller Regel nicht von den Nennbeträgen, sondern vom Verhältnis der Geschäftsanteile zueinander ab – geböten eine andere Betrachtungsweise.
Fazit
Offengelassen hat der BGH die in der Praxis hiermit im Zusammenhang stehende Frage, ob das Konvergenzgebot aus § 5 Abs. 3, Satz 2 GmbHG nun nur noch im Gründungsstadium der Gesellschaft und im Rahmen einer Kapitalerhöhung, oder auch darüber hinaus im weiteren Verlauf der Gesellschaft mit der Folge Geltung beanspruchen kann, dass das Registergericht anlässlich eines der Einziehung folgenden Eintragungsantrages auf die Korrektur der Divergenz bestehen kann. Dies wäre freilich nur dann der Fall, wenn die Gesellschafter eine gesetzliche Verpflichtung zur Beseitigung der Divergenz haben, was der BGH aber ebenso offen gelassen hat. Bis auch diese Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt ist, dürfte die bisherige Empfehlung, nämlich in Einziehungsfällen rein vorsorglich immer auch eine entsprechende Kapitalmaßnahme zu beschließen, weiterhin Bestand haben, da die zur Zeit nicht auszuschließende Eintragungsweigerung des Registergerichts zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit bislang ungewissem Ausgang führen kann.