BGH, Urt. v. 9. 12. 2014 – II ZR 360/13
In seinem Urteil vom 9. 12. 2014 (Az.: II ZR 360/13) stellt der BGH unter Abweichung von der Entscheidung der Vorinstanz (OLG Hamm) klar, dass Entnahmen aus dem Vermögen einer GmbH & Co. KG durch einen Gesellschafter der Komplementär-GmbH oder durch einen Kommanditisten nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlungen darstellen, wenn dadurch das Vermögen der Komplementär-GmbH unter ihre Stammkapitalziffer sinkt oder sich eine bilanzielle Überschuldung verschärft. Wenn der Zahlungsempfänger (auch) Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist, ist es daneben unerheblich, ob die Kommanditgesellschaft einen oder mehrere weitere Komplementäre hat, die als natürliche Personen neben der beschränkt haftenden Komplementär-GmbH unbeschränkt mit ihrem ganzen beweglichen und unbeweglichen Vermögen haften. Im Ergebnis haftet der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gem. § 43 Abs. 3 GmbHG für derart verbotene Auszahlungen der GmbH & Co. KG persönlich.
Ausgangslage
In vielen Fallgestaltungen erscheint die GmbH & Co. KG in der Praxis als Rechtsform nicht zuletzt auch wegen der flexibleren Handhabung der kurz‑, mittel- oder längerfristigen Entnahme von liquiden Mitteln gegenüber der GmbH als vorzugswürdig. Während bei der GmbH als Kapitalgesellschaft die Entnahme freier Mittel regelmäßig eines zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung und damit teilweise erheblichen Aufwandes beim Handling der Gesellschaft bedarf, wird die Auszahlung liquider Mittel bei der GmbH & Co. KG als Personengesellschaft regelmäßig einfacher als Privatentnahme und damit über buchhalterische Gesellschafterkonten gesteuert. Eine allzu freizügige Entnahmepolitik kann sich jedoch nach der hier besprochenen Entscheidung des BGH im späteren Insolvenzfall der GmbH & Co. KG als verhängnisvoll erweisen, weil der Insolvenzverwalter diese Zahlungen von dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH später zurückfordern wird.
Bilanzielle Behandlung von Auszahlungen
Bei der Entnahme von liquiden Mitteln aus dem Vermögen einer GmbH & Co. KG wird regelmäßig übersehen, dass der Abzug gleichzeitig wegen der persönlichen Haftung der Komplementär-GmbH bei ihr zu einem entsprechenden Passivposten in der Bilanz führt, weil die Komplementärin für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG persönlich haftet. Die Entnahme von Mitteln aus dem Vermögen der GmbH & Co. KG führt nur deshalb nicht sofort zu einer bilanziellen Überschuldung bei der Komplementär-GmbH, weil diese gleichzeitig einen entsprechenden Freistellunganspruch von dieser Verbindlichkeit gegen die Kommanditgesellschaft aus §§ 161 Abs. 2, 110 HGB in ihrer Bilanz aktivieren kann. Bilanziell heben sich in diesem Fall also der gebildete Passivposten und der Freistellungsanspruch wechselseitig auf. Führt aber die Auszahlung von Mitteln aus dem Vermögen der GmbH & Co. KG an einen Gesellschafter zur Auszehrung des Vermögens der Kommanditgesellschaft, so ist dieser Freistellungsanspruch bei der Komplementär-GmbH nicht mehr durchsetzbar und folglich in der Bilanz als Gegenpol zu dem gebildeten Passivposten auch nicht aktivierbar, so dass bei der Komplementär-GmbH eine Unterbilanz oder Überschuldung entstehen oder vertieft werden kann (vgl. BGHZ 60, 324 [32]).
Sonderfall
An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn in sicherlich seltenen Fällen neben der Komplementär-GmbH weitere natürliche Personen die persönliche und unbeschränkte Haftung in der GmbH & Co. KG übernommen haben und der Zahlungsempfänger (auch) Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist. In einer solchen Konstellation könnte daran gedacht werden, dass wegen der persönlichen und unbeschränkten Haftung auch der übrigen Komplementäre (als natürliche Personen) als Gegenpol zu dem Passivposten in der Bilanz der Komplementär-GmbH ein Freistellunganspruch aus § 426 Abs. 1 BGB gegen die unbeschränkt haftenden Mitkomplementäre aktiviert werden kann, weil im Außenverhältnis mehrere persönlich haftende Gesellschafter nach § 128 HGB als Gesamtschuldner haften. Ob in einem solchen Fall in der Bilanz der Komplementär-GmbH ein Freistellungsanspruch bis zur vollen Höhe der aus dem Vermögen der GmbH & Co. KG entnommenen Beträge aktiviert werden kann, so dass sich wiederum (s.o.) Passivposten und aktivierter Freistellungsanspruch in der Bilanz der Komplementär-GmbH aufheben, hängt von der Haftungsquote unter den Komplementären ab. Maßgeblich für die Haftungsquote der Komplementäre untereinander sind wiederum die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen bzw. der jeweilige Gewinn- und Verlustanteil. Daneben ist entscheidend, ob ein solcher Mithaftungsanteil gegen die übrigen Komplementäre auch durchsetzbar ist, was regelmäßig Frage des Einzelfalles ist. Eine Aktivierung des Freistellunganspruchs bis zur vollen Höhe der aus dem Vermögen der GmbH & Co. KG entnommen Beträge wäre aber nur in dem Fall denkbar, dass die persönlich und unbeschränkt haftenden Mitkomplementäre ausnahmsweise zur vollen Höhe zum Gesamtschuldnerinnenausgleich heranzuziehen sind, mithin die Haftungsquote der Komplementär-GmbH 0 % beträgt, bspw. weil sie am Gewinn und Verlust, anders als die persönlich und unbeschränkt haftenden Mitkomplementäre, nicht beteiligt ist.
Fazit
Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des BGH sollte in Fällen der beabsichtigten Entnahme freier Mittel aus dem Vermögen einer GmbH & Co. KG also regelmäßig sorgfältig geprüft werden, ob die zu entnehmenden Beträge durch werthaltige Freistellungansprüche der Komplementär-GmbH gegen die GmbH & Co. KG oder gegen sonstige Komplementäre in gleicher oder wenigstens annähernd gleicher Höhe gedeckt sind, zumal die Komplementär-GmbH am Vermögen der GmbH & Co. KG in aller Regel nicht beteiligt ist und bestenfalls über ihr Stammkapital verfügt. Beträge über die Hälfte der Stammkapitalziffer der Komplementär-GmbH hinaus dürften in aller Regel als kritisch zu betrachten sein.