KG Berlin, Urt. v. 8. 5. 2014 – 12 U 22/13
Bekannt dürfte sein, dass ein Gesellschafter einer mehrgliedrigen GmbH wegen der Gefahr einer Interessenkollision bei der Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit sich selbst betrifft (z.B. Entlastung als Geschäftsführer, Befreiung von einer Verbindlichkeit oder auch die Begründung von schlichten schuldrechtlichen Verträgen etc.), grundsätzlich nicht mitstimmen darf (§ 47 Abs. 4 GmbHG). Nach Auffassung des Kammgerichts Berlin (KG, Urt. v. 8. 5. 2014 – 12 U 22/13) unter Anknüpfung u.a. an BGHZ 68, 107 [110]) sei diese Regel entsprechend anzuwenden, wenn der in Rede stehende Gesellschafter zugleich zu wenigstens 50 % auch Gesellschafter der Vertragspartnerin und deren alleiniger Geschäftsführer ist.
Stimmverbot bei Interessenkollision
Sinn und Zweck des § 47 Abs. 4 GmbHG ist die gesetzlich gewährleistete Verhinderung von Interessenkollisionen. Durch die Normierung eines Stimmverbots sollen verbandsfremde Sonderinteressen von der Einwirkung auf Verbandsentscheidungen fern gehalten werden. Nach Auffassung des KG Berlin sei deshalb eine weite Auslegung des § 47 Abs. 4 GmbHG und somit eine Analogie auch auf den Fall geboten, dass der in Rede stehende Gesellschafter nicht unmittelbar, sondern über seine Möglichkeit zur wesentlichen wirtschaftlichen Vorteilsnahme bei der Vertragspartnerin mittelbar begünstigt wird (anders noch die Vorinstanz: LG Berlin, Urt. v. 31. 10. 2012 – 96 O 67/12). Für die Anwendung des § 47 Abs. 4 GmbHG komme es nämlich nicht auf die Herrschaftsverhältnisse bei der Drittgesellschaft, sondern auf die Interessenidentität des Gesellschafters beider Gesellschaften an, so dass keine beherrschende Stellung in der Drittgesellschaft erforderlich ist, sondern bereits eine erhebliche Beteiligung jedenfalls dann genüge, wenn der in Rede stehende Gesellschafter bei der Drittgesellschaft zugleich auch eine unternehmerische Stellung ausübe, was bei der Geschäftsführertätigkeit regelmäßig der Fall ist.
Fazit
Wird bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft gegen § 47 Abs. 4 GmbHG verstoßen, so hat dies die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge. Die Nichtigkeit des Beschlusses ist durch Urteil feststellen zu lassen. Da nicht selten die Beteiligungsverhältnisse von Gesellschaftern bei Drittgesellschaften unbekannt sind, empfiehlt es sich zur Vermeidung nichtiger Beschlüsse und späterer rechtlicher Auseinandersetzungen schon bei der Gründung einer GmbH und/oder auch im weiteren Verlauf – soweit dies die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschafterversammlung zulassen -, den Gesellschaftern im Beschlusswege aufzugeben, erhebliche Beteiligungen von wenigstens 50 % an Drittgesellschaften und die dort ausgeübte Funktion offenzulegen als auch über die Änderung der Beteiligungsverhältnisse an Drittgesellschaften zeitnah Rechenschaft abzulegen.